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Interviews

2009

atelier le balto

Gartenkunst in Aktion

atelier le balto (Veronique Faucheur, Marc Pouzol und Marc Vatinel) im Gespräch mit Angelika Stepken


Ihr habt in Florenz einen Garten angetroffen, der trotz seiner romantischen Widmung im wesentlichen erst in den letzten 15 – 30 Jahren angelegt wurde. Welche Bedeutung hatte dieser historische Bestand für Eure Herangehensweise?

Die romantischen und historischen Aspekte des Gartens wurden während unserer Workshops verwischt oder in den Hintergrund gestellt. Nicht, dass wir die Geschichte des Gartens ignorieren (wir müssen, so oder so, mit der Geschichte arbeiten), aber die gemeinsame Entdeckung des Gartens, der Austausch mit den Gästen und die Diskussionen sind die Basis unserer Arbeit geworden. Diese Treffen oder diese Herangehensweise, die von Dir, Angelika, vorgeschlagen wurden, haben die beste Voraussetzung für unsere Arbeit gebildet; es hat uns in eine Dynamik gestellt, die keinen Platz für evtl. Hemmungen gelassen hat.

Das Historische kommt für uns nicht als solches in Frage. Vielmehr betrachten wir von Anfang an die Geschichte der Pflanzen eines Gartens: die Pflanzen, die gewünscht wurden, wie auch die, die nicht erwünscht wurden, solche, die gepflegt wurden, und jene, die nicht gepflegt wurden. Wir beobachten auch die Art und Weise, wie sie gepflegt und wie lang oder wann sie gepflegt wurden. Das alles ist entscheidend für die weitere Entwicklung eines Gartens.

Eure Eingriffe in den ersten Workshops haben enorm wirkungsvoll räumliche und dingliche Volumen im Garten modelliert, Licht und Schatten Raum gegeben, Linien und Körper auf dem Terrain konturiert, Relationen zur Umgebung des Gartens geschaffen, bzw. freigelegt. All diese Formatierungen beziehen sich immer auf den Blick des Betrachters und seine Bewegungen im Garten. Ihr sprecht von einer Kultivierung des Blicks, die dem künstlerischer Rezeption sehr nahe ist. Wie hat sich diese Haltung bei Euch entwickelt?

Der Begriff der Kultivierung des Blickes kommt von der ersten Edition der Temporären Gärten in Berlin, die 1997 auf dem Platz vor dem Palast der Republik statt gefunden haben. Diesen Standort hatten wir damals ausgewählt, weil wir den Bewohnern der Stadt, und insbesondere den Bewohnern dieses Viertels, seine Qualitäten und sein Potential zeigen wollten. Wenn man etwas zu nahe steht oder zu lang an einem Ort ist, sieht man seine Eigenart und Qualitäten oft nicht mehr.

Unser Interesse für den Blick und die Bewegung des Betrachters im Garten kommt auch von unserer eigenen Erfahrung, unserer  Wahrnehmung eines Ortes oder eines Raumes; es sind Erfahrungen oder Wahrnehmungen, die wir gerne teilen.

Für mich (Veronique) als Tänzerin und ehemalige Choreographin sind diese Aspekte selbstverständlich. Ich gehörte zu jener Tanz-Bewegung, die sich für den öffentlichen Raum, für das Publikum und den Tanz auf der Straße oder auf einem Platz interessiert hat. Als Tänzer haben wir uns viel auf die architektonischen und natürlichen Elemente eines Ortes gestützt. Es ging, wie auch bei einem Garten, darum, das Publikum seine gewöhnliche Umgebung wieder oder anders entdecken zu lassen.

Eigentlich sind diese Aspekte schon immer eine wichtige Komponente der Gartenkunst gewesen. Die berühmten Gartenanlagen jeder Zeit bieten dieses Raumgefühl und Blickbeziehungen. Wir sind wahrscheinlich alle drei Gärtner und Paysagistes geworden, weil wir diese Erfahrung selbst in dem einen oder anderen Garten gemacht haben.

Die Haltung hat sich durch das Gärtnern entwickelt. Die Sensibilisierung für das, was man sieht und wie man sich in einem Garten bewegt, entwickelt sich von alleine, wenn man gärtnert.

Wenn man gärtnert, fragt man sich gelegentlich, warum man es macht. Gärtnern bedeutet mit Räumlichkeiten und Pflanzen zu arbeiten, es bedeutet, Gesten zu machen, um die animalische Welt (zu welcher der Mensch gehört) mit der Pflanzenwelt in Harmonie zu bringen.

Es ist ein Versuch, dem Menschen keine Dominanz über die Pflanzen zu geben (auch wenn es in einem Garten tatsächlich doch immer so ist) und den Pflanzen keine Dominanz über die Menschen. Als Gärtner wollen wir eine Symbiose zwischen Pflanzen und Menschen erreichen, Symbiose im etymologischen Sinn des Worts: zusammen leben.

Ein Garten hat immer auch eine repräsentative Funktion, ob es ein privater oder ein institutioneller ist. Wieweit reflektiert oder interpretiert ihr in Eurer Arbeit auch die Wünsche und Ambitionen des Auftraggebers?

Das stimmt, ein Garten, ob privat oder öffentlich, ist immer eine Darstellung oder eine Repräsentation, die für einen Dritten gemacht wird. Es ist das gleiche Phänomen wie bei der Wahl der Kleidung oder des Parfums. Ein Eigentümer oder eine Institution fragen manchmal einen Gartenarchitekten, seinen, bzw. ihren Garten zu ändern, zu transformieren, um ihm einen neuen Charakter zu geben. Das neue Bild soll die Person oder die Institution besser repräsentieren.

Der Paysagiste ist dann ein Vermittler. Er hat als Ausgangspunkt eine Person oder eine Institution mit ihren Wünschen und ihrem Budget, er hat den aktuellen Stand des Gartens, und damit soll er das Beste machen.

Es gibt keine Repräsentation ohne einen Menschen, der sie trägt, der sie vermittelt. Es gäbe keinen Park von Versailles, wenn es keinen König Ludwig 14. gegeben hätte. Als Gärtner oder Gartenkünstler kommunizieren wir dieser Person, was wir machen, und sie kann dann die Informationen weiter benutzen. Unser Ziel ist es, dass sich der Eigentümer oder seine Vertretung, egal ob es sich um eine Privatperson oder um eine Institution handelt, in dem Garten wohl fühlt. Wenn die Person sich wohl fühlt, kann sie den repräsentativen Aspekt auf sich nehmen.

Im Garten der Villa Romana spielt ihr mit verschiedenen Zonen und Standorten, Anschauungen und Handlungsfeldern. Manche sind sehr streng und formal gehalten (Heckenschnitt), andere eher verspielt und anarchisch (das Baumhaus) oder klassisch (Olivenhain). Wie kam es zur Entscheidung für solch heterogene Entwürfe?

Die drei Herangehensweisen, die Du nennst - streng, verspielt, anarchisch - können als unsere üblichen drei Werkzeuge betrachtet werden. Wir wählen eines dieser Werkzeuge aus dem gegebenen Potential und in Bezug zu der Zeit, die uns zu Verfügung steht, aus. Je nach Projekt entwerfen wir vor Ort und innerhalb des Zeitrahmens, den wir haben: ein Tag, zwei Tage oder 30 Tage und in Bezug zu der Anzahl der Personen, die in den Arbeitsprozess einbezogen sind, und ihrer Vorkenntnis und Erfahrung.

In Berlin haben wir das Projekt woistdergarten? mit Hilfe von 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Europäischen Vereins der Landschaftsarchitektur- Studenten (ELASA) durchgeführt. Die Anwesenheit dieser Studenten war uns drei Wochen vor Beginn der Baustelle noch nicht bekannt gewesen und ihre Anzahl stieg von Tag zu Tag. Unter diesen Bedingungen haben wir sechs Gärten in zwölf Tagen gebaut. Ausgangspunkt der Transformation des jeweiligen Gartens waren Skizzen ohne Ausführungsplan. Ohne diese Improvisationsmöglichkeit, ohne diesen Prozess der Adaption des Entwurfs an die verfügbaren Mittel hätten wir dieses Projekt nie realisieren können. Dann hätten wir aber eine große Chance verpasst.

Für die Villa Romana ist es genau so. Wir reagieren auf die Reaktionen der Bewohner und Nutzer des Gartens. Wenn wir merken, dass wir in eine Richtung gehen können, gehen wir weiter; und da, wo ihr als Nutzer des Gartens uns nicht mittragt, gehen wir langsamer oder gar nicht weiter.

Die Heterogenität der Aktionen ist ein Spiegelbild der Komponenten oder der Komplexität des Gartens. Der Raum und die pflanzliche Welt sind sehr komplex. Wenn man eine gerade Linie durch einen Garten zieht, gibt man dem Besucher ein Gefühl von Sicherheit und das ist ein Mittel, um sich den komplexeren Seiten des Gartens anzunähern.

Die größte Freude für mich an Eurer bisherigen Arbeit ist, dass mein Vorurteil von einem Garten als statischer Anlage, der man sich hingibt, obwohl dort nur die Pflanzen wachsen und in Form gehalten werden, völlig über den Haufen geworfen wurde. Stattdessen wandelt er sich hier zunehmend zu einer ebenso dichten wie großzügigen dynamischen Konstellation. Das Temporäre und Komplexe wird maßgeblich. Kein Fetischismus gegenüber einzelnen Blättern und Blüten. Vor dem Hintergrund der akademischen Gartenkunst: wie positioniert Ihr Euch da?

Die akademische Gartenkunst lässt dieses Bild des unbeweglichen Gartens erscheinen, obwohl es ihn gar nicht gibt. Es kommt wahrscheinlich von den vielen Veröffentlichungen von Bildern und Texten in schönen Büchern

Einige Texte oder Kunstwerke zeigen aber, wie dynamisch, lebendig, beweglich ein Garten eigentlich ist: z.B. der Text von Eric Orsenna, Portrait d’un homme heureux (Érik Orsenna: Portrait eines glücklichen Menschen. Der Gärtner von Versailles André le Nôtre 1613-1700, München, 2004), oder der Film, den Du uns gezeigt hast (Kenneth Anger, Eaux d'Artifice, 1953), oder Peter Greenaways The Draughtman's Contract (1982).

Die Gartenanlage der Villa Romana war so bedrückend, dass man sie nicht mehr angeschaut hat. Durch Gartenkunst in Aktion wird sie plötzlich wieder lebendig. Das Leben in einem Garten ist mit der Anwesenheit und mit den Gesten der Gärtner verbunden.

Wir haben im Französischen die Wortunterscheidung: ein Garten wird gepflegt (entretenu) oder gegärtnert (jardiné). In der zweiten Formulierung ist diese ständige Bewegung und Kreativität enthalten, in der ersten liegt die Bedeutung mehr auf dem Putzen. Wenn wir nicht mehr da sind, übernimmt Victor (Hausmeister der Villa Romana) die Verantwortlichkeit, den Garten am Leben zu halten.

Es werden immer wieder Fragen auftauchen wie: Soll ich jetzt dieses Stück Allee des Giardino Vecchio gegen Unkraut spritzen oder nicht? Wenn nicht, dann kommt das Gras durch den Kies und die Allee wird peu à peu verschwinden. Will ich dieses Verschwinden oder nicht? Will ich den Weg ein bisschen oder ganz verschwinden lassen? Wir können oder wollen keinen detaillierten Pflegedienst aufschreiben, weil das zum Tod des Gartens führen könnte. Wie Du so schön sagst, das Temporäre und Komplexe soll maßgeblich bleiben.

Die akademische Gartenkunst existiert nicht. Mit dem historisierenden Prozess hat man aus der Konkretisierung von bestimmtem Wissen (durch die Geste des Gärtners) kanonische Schönheiten oder Schönheitswerte gemacht. Der Grund für die Handlung des Gärtners wurde komplett vergessen.

Ihr arbeitet in Gärten und öffentlichen, urbanen Räumen. Beeinflusst Privatbesitz oder private Nutzung eines Terrains Eure Arbeit oder auch die Entscheidung für einen Auftrag?

Wenn ein Garten richtig privat ist, in dem Sinn, dass sein Eigentümer ihn selbst betreibt, wie hier etwa der Gemüsegarten von Victor, dann braucht er uns nicht.

Braucht der Garten oder der Ort uns? Das ist die Frage, die unsere Entscheidung für einen Auftrag beeinflusst.

Entscheidend für den Entschluss einen Auftrag anzunehmen, ist für uns die Gewissheit, dass wir einen Mehrwert an den Bestand geben können. Wir machen immer erst ein Stück Weg zusammen mit dem potentiellen Auftraggeber und nach einer bestimmten Zeit wissen wir, ob wir diesen Weg weiter führen wollen und können oder nicht. Manchmal dauert es ein bisschen, bis man diese Gewissheit gewinnt. Manchmal geht der gemeinsame Weg sehr weit, wie zum Beispiel für unseren Garten in den KunstWerken (KW) in Berlin oder für den Jardin Sauvage in Paris, auch wenn die Personen, die die Institution vertreten, derweil wechseln.

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