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Ausstellungen

25.09.                      30.10.2009

Zonenrand (Lumper und Splitter)

(e.) Twin Gabriel


twin gabriel

Ausstellungsansichten

twin gabriel 2


Der Rand von etwas, die Grenze, wo das eine aufhört und etwas anderes beginnt, ist grundsätzlich eine kritische Region und insofern von besonderem Interesse und oft Gegenstand erbitterter Streitereien. Am innerdeutschen Zonenrand, dem Gebiet unmittelbar östlich und westlich der Mauer, die bis 1989 Deutschland teilte, herrscht mittlerweile eine zeitlose Ruhe, eine ArtStillstand oder Warteschleife, innerhalb derer alles möglich scheint, vieles schon gescheitert und abhanden gekommen ist und anderes gar nicht erst versucht wird.

Bei Grabungen im Ex-Zonenrandgebiet bei Schöningen wurden 1996 die ältesten Holzwerkzeuge der Gattung homo gefunden, ca. 400 000 Jahre alte Holzspeere, die, je nachdem ob vom Forscherlager der Lumper oder der Splitter interpretiert, wahlweise dem Homo erectus oder dem Homo Heidelbergensis zugeordnet werden.

Dort in der Nähe ist Else Gabriel aufgewachsen. 2007 ist sie mit ihrem Partner Ulf Wrede, mit dem sie seit 20 Jahren unter dem Kürzel (e.) Twin Gabriel künstlerisch arbeitet, und ihren beiden Kindern zurück in die alte Heimat gefahren, um diesendramatisch tief in der Menschheitsentwicklung liegenden Zonenrand zu erkunden: Else Gabriel inszeniert sich und ihre Familieim Selbstversuch als ausgestorbene Spezies, als zeitlose Widergänger und gespensterhafte Verwandte – unangemeldeterBesuch, mit dem man nicht so richtig weiß wohin und dessen notdürftig zivilisiertes Erscheinungsbild einem ein gewissesUnbehagen bereitet. Mit anderen Worten: fast so, wie sich nach den ersten Wochen der Euphorie, die dem Fall der Mauer 1989folgten, viele der deutsch-deutschen Begegnungen anfühlten…

Experimentelle Anthropologie nennen (e.) Twin Gabriel diese Vorgehensweise und spannen im Darwin- und Mauerfallgedenkjahr 2009 den Bogen von detektivischem und künstlerischem Interesse weit, um die Vielschichtigkeit und Ambivalenz, die Uneindeutigkeit von individuellen Gefühlen in Zeiten des Umbruchs und der Verunsicherung spürbar zu machen.

In Florenz, der Stadt mit dem weltweit ersten öffentlich zugänglichen Naturhistorischen Museum, das mit seiner Sammlung sehr alter Tierpräparate von zum Teil bereits ausgestorbenen Arten einen enormen Schatz darstellt, zeigen (e.) Twin Gabriel mit großformatigen Fotoarbeiten, Video- und Audioskizzen sowie plastischen Arbeiten eine Auswahl aus ihrer Hommage an den homo erectus und seine Verwandten.

Else Gabriel (1962 in Halberstadt geboren) lebt in Berlin und lehrt an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Seit den 90er Jahren werden ihre Arbeiten international (u.a. Malmö Konsthall; Palazzo delle Esposizioni, Rom; Martin Gropius-Bau, Berlin; Staatliche Kunsthalle Baden-Baden; South London Gallery u.v.m.) präsentiert.

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