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Ausstellungen

14.05.                     20.05.2014

Die Sonne geht im Westen auf

Leone Contini

Eröffnung am 14.05. 2014
20.30 Uhr: Vortrag vom Inge Lyse Hansen, Archäologin (Rom)
Wie Virgil Aeneas nach Butrint brachte und die Archäologie der Geschichte


Ausstellungsansichten

Landkarte Albaniens aus der Zeit der italienischen Besatzung im Zweiten Weltkrieg


Dieses Projekt entstand während Continis Aufenthalt in der Tirana Art Lab - Center for Contemporary Art und wird ermöglicht durch nctm e l’arte: Artists-in-residence.

"Die Idee zu diesem Projekt kristallisierte sich heraus, nachdem ich eine alte Landkarte Albaniens aus der Zeit der italienischen Besatzung entdeckt hatte: Sie gehörte wahrscheinlich meinem Großvater, der während des Zweiten Weltkrieges auf dem Balkan stationiert war. Auf der Landkarte waren Städte und Orte mit Linien und Punkten markiert, die Aufschluss gaben über die Invasion und den Versuch, Kontrolle und Macht auszuüben. Heutzutage ist jeder Punkt eine Leerstelle und spiegelt die persönliche und kollektive Amnesie wider: Meine Familie besitzt keine Kenntnisse mehr über die Karte und ebenso verleugnet (und ignoriert) Italien seine koloniale und imperialistische Vergangenheit, insbesondere auf dem Balkan. Das Projekt versucht, diese Kriegspfade unter einem neuen Blickwinkel zu reaktivieren: Ich folgte einem präzisen Reiseweg und hielt mich dabei möglichst an die Originalkarte. Ich wollte die Leerstellen aber nicht entschlüsseln, sondern mich einfach treiben lassen. Die Landkarte, die ursprünglich ein Mittel zur Kontrolle von Menschen und geografischen Räumen war, ermöglichte es nun paradoxerweise, unkontrollierte Ereignisse auf mich zukommen zu lassen. Allerdings habe ich mich kein einziges Mal richtig verlaufen, auch wenn ich allein in verlassenen Gegenden eines fremden Landes unterwegs war. Ich war ein Ausländer, aber ich fühlte mich nie als Fremder. Ein unerwartetes Gefühl der Vertrautheit begleitete mich: Über der ersten Schicht, der kolonialen Vergangenheit, lagen die im gegenwärtigen Albanien weitverbreiteten Kenntnisse der italienischen Sprache und die Nähe zur italienischen Popkultur. Diese Verbundenheit rührt aus der Spätphase des Kommunismus her, als die Albaner begannen, ihre eigenen illegalen Antennen anzufertigen, um die italienischen Fernsehsender zu empfangen. Die Antenne fungierte damit als ein beziehungsförderndes Mittel, das dazu diente, den Anderen zu erreichen. Gleichzeitig aber nährte sie überzogene Sehnsüchte, die niemals erfüllt werden konnten: Durch das italienische Fernsehen idealisierten die Albaner die Simulakren der kapitalistischen Gesellschaft und lebten von falschen Versprechungen. Im Zeitalter der globalen Kommunikation haben diese selbst gebastelten Antennen ihre Funktion verloren und Italien monopolisiert nicht mehr die kollektiven Sehnsüchte der Albaner. Die Antennen aber leben in der Erinnerung der Menschen fort und das Relikt des italienischen elektromagnetischen Fernsehsignals bewegt sich noch immer durch den Luftraum zwischen den beiden Ländern – während unter dem albanischen Boden die Überreste der modernistischen Irrtümer ruhen und auf die Bagger warten, die sie zutage fördern und erneut zum Einschmelzen freigeben." (Leone Contini)

Leone Contini (*1976, Florenz) studierte Philosophie und Anthropologie an der Universität Siena. Sein Forschungsansatz – mit Fokus auf interkulturelle Spannungen, Konflikte und Machtverhältnisse sowie Vertreibung, Migration und Diaspora – greift auf die Mittel der zeitgenössischen Anthropologie zurück, um Wirkungsbereiche kollektiver Emotionen mittels Vorträgen in Form von Performances, kollektiven Interventionen im öffentlichen Raum, textuellen oder audiovisuellen Erzählungen, Bloggen und selbstverlegerischen Tätigkeiten zu erschließen. Contini realisierte weltweit Ausstellungen, Interventionen und nahm an zahlreichen Residenzprogrammen teil.


mit freundlicher Unterstützung von Vessel, microgallery und Logu I Shkëndijës

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