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Ausstellungen

21.06.2008

RURAL DELIGHTS
Der Garten als unerwarteter Antrag

Kai Schiemenz

RURAL DELIGHTSRURAL DELIGHTS

Das Projekt

Ein Garten ist ein geschlossenes Terrain, in dem wir unseren Glauben an und unsere Vorstellungen von soziale/n und natürliche/n Ideale/n realisieren. Er ist eine Insel, kein bodenloser Ort wie Utopia. Garten ist Modellraum, 1:1 im Boden implementiert. Er trennt Einbildungskraft nicht von Realität. Ein Garten braucht Mauern zu seiner Sicherung.

Der Garten der Villa Romana fand seine Gestalt zum größten Teil während der vergangenen 30 Jahre. Verschiedene Zonen wurden auf dem 15000 Quadratmeter großen Gelände angelegt, Nischen eingerichtet, persönliche Widmungen installiert, um Vorstellungen von einem bohemienhaften Leben zu zelebrieren. Während das Gebäude der Villa Romana in 2006/2007 aufwändig restauriert wurde, blieb der Garten in seiner Struktur und Einrichtung bis heute unangetastet.

Mit dem Projekt RURAL DELIGHTS wirft die Villa Romana die Frage auf, welche zeitgenössische Nutzung und Form der Garten eines Künstlerhauses haben kann. Die Einladung an den Berliner Bildhauer Kai Schiemenz ist eine erste Initiative der Aneignung und öffentlichen Diskussion.

RURAL DELIGHTS verhandelt den Garten als Terrain sozialer und politischer Handlungen. Am oberen Hang des Gartens liegt eine Wiese, umgeben von Nachbargebäuden. Hier platziert Kai Schiemenz seine Sperrholzstruktur, die den Typus eines Gazebo (Gartenpavillons) paraphrasiert, wie er in Parks und öffentlichen Anlagen meist freistehend und schattenspendend anzutreffen ist. Kai Schiemenz greift die ornamentalen Qualitäten dieser klassischen Garten-Architektur auf und ihre Funktion als Aufenthaltsort für kleinere und größere Gruppen. Die von allen Seiten zugängliche Konstruktion seiner Skulptur dient als Versuchsfeld für Diskussionen, Performances, Filmvorführungen… Es geht um den Entwurf eines öffentlichen Raumes und um Formate der Produktion und Vermittlung von Wissen.

Das erste Garten-Forum startet am 21. Juni. An diesem Abend sind Architekten, Soziologen, Tänzer und Filmemacher aus Deutschland und Italien eingeladen, ihre Arbeiten zu präsentieren (Programm s.u.).

Im Verlauf des Sommers werden weitere Akteure die ArchiSkulptur von Kai Schiemenz nutzen. Der italienische Kurator Lorenzo Bruni bereitet in Kooperation mit Künstlern der regionalen und internationalen Szene zwei Projekt-Wochenenden vor unter dem Titel Noi adesso siamo qua.


Die Skulptur

Der in Berlin lebende Bildhauer Kai Schiemenz (geb. 1966 in Erfurt) arbeitet mit plastischen Raummodellen. Seit einigen Jahren gilt seine Recherche Räumen der sozialen Organisation und Projektion. Ein Prototyp hierfür ist das Stadion. Kai Schiemenz sammelte einen umfangreichen Bilderatlas zur Archäologie des Stadions von der antiken Arena bis zum massenmedialen Container, der in Auszügen in der Villa Romana ausgestellt wird.

"Seit Beginn dessen, was in der Kunst gemeinhin die Moderne genannt wird, geht es fast ausschließlich um die komplexe Problematik, im Spannungsfeld von Physiologie, Philosophie und Kunstgeschichte zu klären, wie Blick und Bild im realen Raum zusammen kommen. Zugespitzt könnte man behaupten, dass die Aufgabe der Kunst im Zeitalter der Massenmedien die Sozialisierung von Sehen und Hören ist. Üblicherweise sind dafür heute neben Archiven und Museen Galerien die Orte, an denen dieses ermöglicht wird. Vorhistorisch waren das eher Ritualorte wie Kirchen, Jahrmärkte oder Sportstadien. Inzwischen bestätigen (via Installationen und inszenierter Ausstellungskonzepte) Galerien und Museen ihren Status als besonders unterhaltsame Orte, die nicht nur außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehen, sondern auch ungewöhnliche Erfahrungen bieten. Den Betrachter dieser Inszenierungen – man ist geneigt ihn Benutzer zu nennen - hat Beat Wyss einigermaßen polemisch als einen völlig überdrehten Spanner geschildert. Gleichsam auf den Ruinen dieser Theatralik operiert Kai Schiemenz, indem er Architektur/Skulpturen baut, die der Anschauung im gleichen Maße dienen wie der Zurschaustellung."

Susanne Prinz


Im Garten der Villa Romana hat Kai Schiemenz eine mehrere Meter hohe Arbeit realisiert, die sich aus zwei formalen Ebenen zusammensetzt: einer geschichteten und verkanteten Bodenarchitektur (die zugleich an Bühnenelemente erinnert und an die Eisschollen in der Malerei Caspar David Friedrichs) und in die Höhe ragenden Halbkreisen, die in ihrer fragmentierten technischen Konstruktion die Idee des Disegno ebenso aufgreifen wie die Dynamik eines Roller-Coaster. Die Skulptur bezeichnet einen virtuellen Raum und einen realen Ort.


Kai Schiemenz
studierte an der Berliner Universität der Künste bei Lothar Baumgarten. Seit den 90er Jahren  stellt er international aus, u.a. in folgenden Ausstellungszusammenhängen: Sculpture Qudrennial Riga (2008); Ideal Cities – Invisible Cities, Zamosz / Potsdam (2006); Wittgenstein in New York - Architektur in der zeitgenössischen Kunst auf Papier, Kupferstichkabinett Berlin (2006); Kritische Gesellschaften, Badischer Kunstverein, Karlsruhe; Urban Creatures, Pori / FI (2006); Kappatos Galerie, Athen / GR (2006); Neuer Berliner Kunstverein (2005); Demokratie üben, Westfälischer Kunstverein Münster (2005). Kai Schiemenz war Artist in Residence in der Monash University, Melbourne (2008) und in der Villa Aurora, Los Angeles (2005).


Symposium

RURAL DELIGHTS
Der Garten als unerwarteter Antrag

Samstag, 21. Juni, 18.00 – 24.00 Uhr
im Garten der Villa Romana


Ablauf ab 18 Uhr

Peter Pleyer
DANCING QUEEN MEETS WALKMANWORDS
MP3 Choreografie

Sandra Bartoli und Stefan Schreck
BORDERLINE ANIMALS
Hörspiel

Picknick

Helmut Höge
KLEINE TYPOLOGIE DES GARTENS - LICHTBILDGESTÜTZT
Vortrag

Minze Tummescheit, Arne Hector
IN ARBEIT / LAVORI IN CORSO / EN CONSTRUCTION / W TOKU
Eine filmische Interviewkette


Filmprogramm:
Rosa Barba, OUTWARDLY FROM EARTHS CENTER, 2007
u.v.m.


Teilnehmer

Peter Pleyer, seit 2007 künstlerischer Leiter der Tanztage Berlin. Nach einigen Jahren als Schauspieler im deutschen Sprechtheater studierte Peter Pleyer Tanz am european dance development center der Kunsthochschule Arnhem/NL. Als Tänzer und choreographischer Assistent arbeitete er mit Yoschiko Chuma, New York und Mark Tompkins, Paris und seit seiner Studienzeit mit der ungarischen Tänzerin Eszter Gal. Gemeinsame Choreographien und Improvisationen wurden in Holland, Deutschland, Frankreich und Ungarn sowie auf dem New Yorker Improvisationsfestival gezeigt. Er unterrichtet in verschiedenen Tanzfestivals in Europa und half in Berlin beim Aufbau eines Hochschulstudiums für zeitgenössischen Tanz.

Sandra Bartoli, geboren 1967 in Cortina d'Ampezzo, lebt und arbeitet in Berlin. Sie hat Architektur und Landschaftsarchitektur studiert und ist Mitbegründerin von Terraform mit Andreas Ziegeler. Zusammen mit Silvan Linden hat sie 2006 das Büro für Konstruktivismus  gegründet. Das Büro gibt die Zeitschrift Die Planung / A Terv (mit Martin Conrads, Levente Polyák und Katarina Šević) heraus sowie die Publikation Kristalle (erschienen in der Schriftenreihe disko der AdBK Nürnberg).

Stefan Schreck, geboren 1968 in Köln, studierte Publizistik und Germanistik in Köln, Düsseldorf und Berlin. Er ist Mitbegründer des (Netz-)Radiokollektivs convex tv., von mikro e.V. – Verein zur Pflege von Medienkulturen und der edit suisse group. Seit 1995 arbeitet er als freier Sounddesigner, Autor, Datenbankentwickler, Webdesigner und –programmierer in Berlin.

Helmut Höge, geb. 1947, arbeitete zunächst als Dolmetscher bei der US Air Force und für einen indischen Tierhändler, studierte dann Sozialwissenschaften in Berlin, Bremen und Paris, arbeitete anschließend als Betriebshelfer in verschiedenen Landwirtschaften West- und Ostdeutschlands sowie in Italien und begann nebenbei publizistisch tätig zu werden. Seit 1986 verdient er sein Geld mit Journalismus. Zuletzt erschienen von ihm: Neurosibirsk (im Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2006) und WPP - Wölfe Partisanen Prostituierte (im Kulturverlag Kadmos, Berlin 2007). In Vorbereitung ist eine Aufsatzsammlung mit dem Titel Anti-Darwin (zusammen mit Peter Berz und Cord Riechelmann als Herausgeber) sowie ein Buch über Landwirtschaften und Bauern.

Minze Tummescheit und Arne Hector arbeiten als cinéma copains gemeinsam an der Herstellung von Dokumentarfilmen. Im Zentrum ihres Interesses stehen Menschen im Kontext ihrer sozialen und ökonomischen Bedingungen. Zwischen 2000 und 2004 entstand der Film Jarmark Europa', der im Forum-Programm der Berlinale '04 Premiere hatte und u.a. in der Ausstellung Schritte von der Arbeit zum Tun im Museum Ludwig gezeigt wurde. Gegenwärtig arbeiten cinéma copains an der Realisierung von in arbeit / lavori in corso / en construction / w toku, einer filmischen Interviewkette, die Möglichkeiten und Bedingungen gemeinschaftlichen Arbeitens und die Gestaltbarkeit gesellschaftlichen Handelns erkundet.

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