Eröffnungsausstellung der Preisträger*innen des Villa Romana-Preises 2025

In Fortsetzung der jahrzehntelangen Tradition der Villa Romana beginnt das diesjährige Programm am 21. März 2025 mit einer Ausstellung, in der die Preisträger*innen 2025 des Villa Romana-Preises vorgestellt werden.

Anlässlich des 120-jährigen Jubiläums von Villa Romana verweben die Künstler*innen ihre Stimmen mit Plurifonica. Eine Corale für 120 Jahre Villa Romana, unserem Programm 2025 mit Performances und Installationen.

Die Besucher*innen sind herzlich dazu eingeladen, in die künstlerische Forschung der diesjährigen Fellows einzutauchen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und im Laufe des Jahres immer wieder in unser House for Mending, Troubling, and Repairing zurückzukommen. Dies schafft einen Ausgangspunkt, um die Berührungspunkte zwischen der in der Villa Romana entwickelten künstlerischen Arbeit und der florentinischen Kunstszene intensiver zu untersuchen.

Sajan Mani

Sajan Vazhakaparambil Kolavan Kalyanikutty Mani hinterfragt die Schnittstellen von Performance, Archiven und Dalit-Bewusstsein. Ein zentrales Thema seiner Arbeit ist das Nachhallen der Stimmen der Vorfahren, das sich kritisch mit der Last der kolonialen Geschichte und ihren gegenwärtigen Erscheinungsformen auseinandersetzt. Er gestaltet Installationen, Videos, Zeichnungen und Performances als Orte eines imaginären Dialogs, die Gegen-Narrative zu dominanten Historiographien aktivieren. Manis langfristiges Projekt Wake Up Calls for My Ancestors fungiert als kritischer künstlerisch-archivarischer Eingriff und thematisiert die Aneignung und Ausstellung subalterner Subjekte in kolonialen Archiven. Indem er sich auf südindische Fotografien konzentriert, die im Ethnologischen Museum Berlin aufbewahrt werden, initiiert er einen interdisziplinären Diskurs, der eurozentrische Archivierungspraktiken infrage stellt und eine reflektierte Gegenbewegung gegen die vermeintliche Genauigkeit kolonialer Fotografie vorschlägt.

Stretched light and muted howls

Acryl und Siebdruck auf Naturkautschuk, 2023

Museen in Deutschland, wie das Ethnologische Museum in Berlin und die Staatsbibliothek Dresden, beherbergen Sammlungen aus kolonialen Kontexten, darunter Fotografien marginalisierter Dalit- und indigener Gemeinschaften in Kerala, anthropologische Bilder mit kolonialen Verzerrungen sowie Dokumente in Malayalam. Die Verbindung der Sprache zu Deutschland geht zurück auf Hermann Gundert, der Malayalam standardisierte und Ende des 19. Jahrhunderts Bücher veröffentlichte. Seine Arbeit, obwohl kolonial geprägt, half Dalits, der kastengebundenen Unterdrückung zu entkommen.

Sajan Mani setzt sich mit diesen Materialien auseinander, um die Würde der abgebildeten Personen wiederherzustellen und koloniale Erzählungen neu zu rahmen. Er überträgt diese Bilder auf Naturkautschukfolien und verbindet seine Arbeit so mit der Geschichte seiner Familie, die seit Generationen als Kautschukzapfer arbeitet. Kautschuk, ein Material, das mit kolonialer Ausbeutung verknüpft ist, war einst für indigene Kulturen in Südamerika heilig. Für Mani ruft Kautschuk Erinnerungen an seine Vorfahren wach und reflektiert die komplexe Geschichte des extraktiven Kolonialismus.

Unlerning Lessons from my Father

HP Video, 2020

Unlearning Lessons from my Father (2018), entstanden mit Unterstützung des Asia Art Archive, untersucht die Biografie der Künstlerin im Zusammenhang mit kolonialer Geschichte, Botanik und materiellen Beziehungen.

Elia Nurvista

Elia Nurvista ist eine Künstlerin, deren Arbeit sich kritisch mit der Politik rund um Nahrungsmittel auseinandersetzt, um Machtstrukturen, soziale Hierarchien und wirtschaftliche Ungleichheiten zu untersuchen. Durch ein vielfältiges Spektrum an Medien – darunter Workshops, Arbeitsgruppen, Publikationen, ortsspezifische Arbeiten, Performances, Video und Installationen – erforscht sie die sozialen und politischen Auswirkungen von Nahrungsmittelsystemen und thematisiert dabei auch weiter gefasste Fragen wie Ökologie, Gender, Klasse und Geopolitik.

Im Jahr 2015 gründete sie mit Bakudapan eine Arbeitsgruppe zum Thema Ernährung, die nach den Prinzipien der Komplementarität und Solidarität arbeitet. Mit Bakudapan führt sie interdisziplinäre Forschungen an der Schnittstelle von Ernährung, Kunst, Pädagogik und Aktivismus durch. Außerdem ist sie Teil von Struggles for Sovereignty, einer Solidaritätsplattform, die sich auf Land, Wasser, Landwirtschaft und Lebensmittel konzentriert und darauf abzielt, dauerhafte Allianzen zwischen Basisbewegungen in Indonesien und transnationalen Netzwerken zu schaffen, die für das Recht auf Selbstbestimmung über essenzielle Ressourcen eintreten.

The Route

Batik-Technik auf Baumwolle, 2025

Mit der Batik-Technik in The Route erforschen die Arbeiten der Künstlerin die komplexe Geschichte von Migration und Vertreibung, die mit Palmöl und niederländischem Wachs verbunden ist. Palmöl, das ursprünglich aus Westafrika stammt, wurde im 15. Jahrhundert von Europäern „entdeckt“ und über den transatlantischen Sklavenhandel transportiert. Es wurde zu einem wertvollen Rohstoff, doch die Afrikaner lehnten es ab, Palmöl statt Kakao anzubauen, weshalb europäische Investoren unter niederländischer Kolonialherrschaft Plantagen in Sumatra und auf der malaiischen Halbinsel errichteten. Zur selben Zeit stellten niederländische Textilunternehmen im mittleren 19. Jahrhundert javanische Batik in großen Mengen her und verkauften diese hauptsächlich an der Atlantikküste Afrikas.

Chaveli Sifre

Chaveli Sifre ist eine multidisziplinäre Künstlerin, deren Arbeit Heiltraditionen, die Hierarchie der Sinne, Botanik und die sie prägende Glaubenssysteme erforscht. Durch Installationen, Skulpturen, Gemälde und partizipative Performances untersucht sie die Schnittstellen von Wissenschaft, Spiritualität, Ritual und Heilmethoden und versucht, deren lange verlorengegangene Verbindungen wiederherzustellen. Ihre immersiven und sinnlichen Installationen laden das Publikum dazu ein, die Hierarchie der Sinne neu zu betrachten, um transformative Werkzeuge für eine Neuvorstellung der Welt zu schaffen.

Mano de Dio

Glas, 2025

Mano de Dio zeigt eine Glas-Hand, gefüllt mit Kampfer, einem wachsartigen Harz, das weltweit in Reinigungsritualen verwendet wird. Kampfer ist ein wesentlicher Bestandteil lateinamerikanischer Heil- und Pflegetraditionen und findet sich sogar im einfachen Vicks VapoRub. Beim Kontakt mit Luft sublimiert Kampfer, das heißt, es verwandelt sich direkt vom festen in den gasförmigen Zustand. Durch dieses Material inszeniert Mano de Dio sowohl ein Reinigungsritual als auch eine Meditation über Transformation. Ursprünglich wurde Mano de Dio für eine Ausstellung in Neapel konzipiert, wo Verehrung in üppigen, hybriden Formen Ausdruck findet. Es nun in Florenz zu zeigen, bedeutet, das Werk zu versetzen und neu zu kontextualisieren. In diesem neuen Kontext wird der Titel Mano de Dio zu einer Anspielung auf den Maradona-Kult – eine Figur, die sowohl weltlich als auch heilig erscheint und durch das Volk zur Ikone erhoben wurde. Sein legendäres „Hand Gottes“-Tor bei der WM 1986 ging über den Sport hinaus und wurde zum Bestandteil eines modernen Mythos. In Neapel wird Maradona nicht nur erinnert; er wird verehrt, sein Bildnis findet sich in Schreinen neben katholischen Heiligen. Heilige werden nicht geboren; sie werden gemacht, geformt durch kollektive Erinnerung, Sehnsucht und Projektion. In diesem Sinne verweist Mano de Dio nicht nur auf göttliche Intervention, sondern auf die sozialen Mechanismen, die das Alltägliche heiligen. Es ist ein Reliquiar des Glaubens selbst, ein schwebendes Opfer, das für immer im Prozess der Sublimation verweilt.

Acqua Madre
Mixed Media, 2025

Acqua Madre stellt eine Opfergabe dar: ein Brunnen, der neben Wasser auch einen feinen Meeresnebel freisetzt, welcher durch einen Zerstäuber verteilt wird und eine luftdurchlässige Wolke bildet.

Die Besucher werden eingeladen, diesen Duft einzuatmen. Dieser wird so zu einer kollektiven Erinnerung, die atmosphärisch erlebbar wird. Sifres Arbeit untersucht, wie das Verständnis der Hierarchie der Sinne als ein vererbtes System zu einem Werkzeug der Weltveränderung werden kann. In ihrer Rolle als Migrantin erforscht sie die olfaktorischen Eigenschaften des Meeres, um Sehnsüchte zu verbinden und Heilung zu ermöglichen. Acqua Madre schlägt vor, dass Glaubenssysteme wie Ozeane fließend, durchlässig und von unsichtbaren Strömungen durchzogen sind. Der Duft fungiert hier gleichermaßen als Erinnerung und als Ritualhandlung: ein Material, das sich verteilt, verweilt und uns dazu einlädt, die Systeme zu hinterfragen, die unsere Realität hervorbringen.

Boca Marina

Installation/ Mixed Media, 2025

Ein Ensemble von Austern ist an der Wand befestigt, stille Münder, die den Duft des Meeres bewahren. Boca Marina setzt die Forschungen der Künstlerin fort, den Geruchssinn als Ort von Erinnerung, Intimität und Transformation zu verstehen. Die Austern, einst Filter des Meerwassers, werden nun zu Gefäßen der Atmosphäre, die keine Perlen, sondern die unsichtbare Spur des marinen Lebens enthalten. Während der Duft sich verteilt, ruft er versunkene Landschaften, Küstenrituale und die poröse Grenze zwischen Innen und Außen hervor.

Raul Walch

Raul Walch setzt sich in seiner künstlerischen Arbeit intensiv mit politischen und ökologischen Fragestellungen auseinander. Nach seinem Studium der Bildhauerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee absolvierte er seine Ausbildung in der Klasse von Olafur Eliasson an der Universität der Künste Berlin und war später Stipendiat am Institut für Raumexperimente. Seine Arbeiten nehmen häufig die Form von Segeln, Mobilés, Drachen und Fahnen an, die er durch kollaborative und performative Prozesse schafft.

Dressing the Wind
Textilien, Bambus
Textilinstallation, Florenz, 2025

Prato in der Toskana gehört zu den bedeutendsten Textilzentren Europas und kann auf eine lange Geschichte der Textilherstellung bis ins Mittelalter zurückblicken.

Die Stadt beherbergt zahlreiche Textilunternehmen, die handwerkliche Qualität mit innovativen Technologien verbinden. Dank ihrer engen Verbindungen zu internationalen Märkten spielt Prato eine zentrale Rolle im globalen Textilhandel. Bekannt ist die Stadt auch für ihre multikulturelle Bevölkerung, insbesondere die bedeutende chinesische Gemeinschaft, die eine wichtige Rolle im lokalen Textilsektor einnimmt. Viele chinesische Migranten haben Textilunternehmen gegründet und leisten einen erheblichen Beitrag zur Wirtschaft der Stadt.

Kleine Geschäfte bieten sowohl heimische Textilien als auch internationale Waren an und bedienen damit kleinere Marken und Designer. Die von Raul Walch in Prato ausgewählten Textilien zeichnen sich durch markante Farben und Muster aus, die regionale Stile überschreiten und die globale Vernetzung der Textilindustrie widerspiegeln. Die reproduzierten Motive und Stoffe, die zu großen Fahnen zusammengenäht sind, werden an Bambusstangen im Garten der Villa befestigt, gruppenweise angeordnet und bewegen sich im Wind. Farben und Muster legen sich übereinander, leuchten im Tageslicht und verbinden sich zu einer neuen Komposition.

The World in Shreds
Zwei-Kanal-Videoinstallation mit Ton
Deutschland, 2022
(bearbeitet 2025)

Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung hat 2024 über 50 % erreicht. Die Transformation des Energiesektors in Deutschland, die sogenannte Energiewende, macht Fortschritte, steht jedoch vor großen Herausforderungen. Politische Machtverschiebungen zeigen eine Wende im Klimaschutz, und es bleibt fraglich, ob die neue Regierung erneuerbare Energien und Technologien weiterhin fördert. Zudem leugnet die größte Oppositionspartei den Klimawandel und verbreitet rechtsextreme Verschwörungserzählungen.

Das Videowerk mit Klanglandschaft gewährt Einblicke in die Energieproduktion und die Industrielandschaft Deutschlands, verbindet Eindrücke der größten Standorte von Windenergie und Kohlekraftwerken. Die Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt und die dystopischen Zukunftsaussichten stehen einem Protest gegenüber, der nur lauter sein müsste.

Villa Romana Prize 2025 Introduction Booklet
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Träger der Villa Romana und des Villa Romana-Preises ist der Villa Romana e.V.
Hauptförderer ist die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
Weitere Förderer sind die Deutsche Bank Stiftung, die BAO-Stiftung sowie projektbezogen zahlreiche Privatpersonen, Unternehmen und Stiftungen aus der ganzen Welt.

Das Kunsthistorische Institut in Florenz – Max-Planck-Institut (KHI) bietet eine kontinuierliche institutionelle Zusammenarbeit an und führt jährlich eine Forschungsarbeit mit einem der Villa-Romana-Preisträger*innen durch.

Villa Romana e.V. wird gefördert von:

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